Betriebliche Maßnahmen gegen den Stress

Stress am Arbeitsplatz gefährdet die Gesundheit von Beschäftigten – und ist deshalb ein BGM-Kernthema. Wie können Sie unterstützen? Hier erfahren Sie alles rund um die Verbreitung und Entstehung von Stress und lernen Maßnahmen kennen, mit denen Sie schädlichen Stress im Betrieb vermeiden oder abbauen können.

Der Druck auf Unternehmen und Beschäftigte steigt. Sei es durch den zunehmenden Wettbewerb, die Digitalisierung und Automatisierung oder der Fachkräftemangel. Vielerorts soll immer mehr Arbeit mit immer weniger Personal bewältigt werden. Dabei können Beschäftigte mit Über- und Fehlbelastungen konfrontiert werden. Als Unternehmen sind Sie grundsätzlich dazu verpflichtet, potenzielle Gesundheitsgefahren für Beschäftigte zu ermitteln und zu beseitigen – das gilt auch für Stress bei der Arbeit.

27 Prozent der Beschäftigten sind gestresst

Stress, Angst und Depressionen stehen in Europa an zweiter Stelle der häufigsten arbeitsbedingten Gesundheitsprobleme der Beschäftigten. Eine von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durchgeführte Erhebung ergab, dass 27 Prozent der Beschäftigten unter Stress, Angst oder Depressionen litten, die durch ihre Arbeit ausgelöst oder verstärkt wurden.1

 

In Deutschland verursachen psychische Störungen jährlich hohe Kosten. 123,3 Millionen AU-Tage fielen 2021 aufgrund psychischer Belastungen an. Die jährlichen Kosten durch Produktionsausfälle liegen bei 15,8 Milliarden Euro.2  Volkswirtschaftlich noch bedeutsamer dürften die versteckten indirekten Kosten sein, verursacht durch die eingeschränkte Leistungsfähigkeit betroffener Personen. Oft entwickeln sich Krankheitsverläufe "verdeckt" über einen längeren Zeitraum – mit der Folge, dass sie erst verspätet behandelt werden.

Wie Stress am Arbeitsplatz entsteht

Stress führt zu Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, ständige Müdigkeit, Erschöpfung, Abgeschlagenheit sein. Aber: Jeder Mensch ist anders – auch im Umgang mit Stress. Deshalb führt er nicht immer zu den gleichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Stress entwickelt sich dann, wenn Anforderungen bei der Arbeit nicht mehr bewältigt werden können. Dabei geht es weniger um punktuelle Überlastung, sondern um dauerhaften, kontinuierlichen Stress, der sich schädlich auf die Gesundheit auswirken kann.

 

Zu den Auslösern von Stress am Arbeitsplatz gehören:

 

  • Ständige Über- oder Unterforderung
  • Hoher Leistungs- und Zeitdruck, oft verbunden mit Überstunden
  • Hohe Arbeitsdichte: Viele, komplexe Arbeitsaufgaben unter Zeitdruck
  • Ungenügend gestaltete Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze
  • Mangelhafte Organisation der Arbeitsaufgaben, geringer Handlungsspielraum
  • Fehlende Wertschätzung & Anerkennung
  • Mangelhafte soziale Arbeitsbedingungen (mangelnde Kommunikation, Konflikte, ungünstiges Führungsverhalten, wenig gegenseitige Unterstützung)
  • Betriebsklima, das von Misstrauen und Konkurrenz geprägt ist
  • Mehrfachbelastung von Arbeit, Familie oder anderen Lebensbereichen
     
25
%
der Erwerbstätigen fühlen sich psychischen Belastungen ausgesetzt.³
32
%
fühlen sich häufig zu viel Arbeit ausgesetzt.⁴
15,2
%
der AU-Tage durch psychische Störungen verursacht.⁵
27,1
Mrd.
€ Kosten durch psychische Erkrankungen & Verhaltensstörungen.⁵
Stress und seine Folgen

Die konkreten Folgen von Stress hängen davon ab, wie gut Beschäftigte diese Stressfaktoren bewältigen können. Sie brauchen Ressourcen, also etwa individuelle berufliche Qualifikationen oder die Qualität der Arbeitsumgebung. Außerdem spielt Selbstbestimmung hier eine wichtige Rolle: Wer selbst Einfluss auf Aspekte seiner Aufgaben hat, kommt mit Stress deutlich besser zurecht. Psychische Erkrankungen wie Depression hängen in vielen Fällen mit chronischen Stressfaktoren am Arbeitsplatz zusammen. Wenn die Arbeit hingegen Sinn stiftet, wenn auch Freude und Stolz dabei nicht zu kurz kommen, wenn Motivation also ein fester Bestandteil des Arbeitsalltages ist – dann können Aufgaben bedeutend leichter gemeistert werden.

Stressmanagement lohnt sich

Es zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, das Stressmanagement und die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu fördern. Unternehmen, die das Thema offensiv angehen, haben nicht nur zufriedenere und leistungsfähigere Mitarbeiter, sondern bestehen auch langfristig im Wettbewerb. Die Kosten für Gesundheitsversorgung und Produktionsausfälle sinken. Eine bessere psychische Gesundheit der Beschäftigten bedeutet auch eine größere Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Die Stresskompetenz von Beschäftigten zu verbessern, kann sich positiv auf die Produktivität auswirken.

 

In den meisten Fällen übersteigen die erwirtschafteten Gewinne die Kosten, die durch die Intervention entstehen. Es konnte nachgewiesen werden, dass Interventionen zum Stressmanagement das Stressempfinden jedes Einzelnen positiv beeinflussen. Allein die Reduktion der Arbeitsbelastung wirkt sich nachweislich positiv auf die Gesundheit positiv aus. Ein Großteil der Studien bestätigt, dass Interventionen zur Förderung der psychischen Gesundheit eine wirksame Strategie in der Prävention von psychischen Erkrankungen sind – allerdings nur dann, wenn sie langfristig umgesetzt werden und dabei sowohl die organisationale als auch die individuelle Ebene berücksichtigt wird.

BGM-Maßnahmen gegen den Stress

Kein Stress mit dem Stress: Unternehmen können sich in drei sich ergänzenden Feldern engagieren, um präventiv, nachhaltig und unterstützend den negativen Folgen psychischer Belastungen entgegenzuwirken.

Stress: BGM Handlungsfelder

  1. Stressprävention
    Arbeitsbedingte Faktoren von Stress vorbeugen bzw. abbauen.
  2. Stresskompetenz
    Ressourcen stärken, um trotz Stress am Arbeitsplatz gesund bleiben zu können.
  3. Unterstützung
    Betroffene Beschäftigte bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz unterstützen.
Stressprävention

Elementar für die Stressprävention sind gut gestaltete Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze, die Stressauslöser vermeiden – oder zumindest abmildern. Durch Gefährdungsanalysen können Betriebe die Qualität ihrer Arbeitsorganisation direkt überprüfen und stressbedingte Gefährdungen erkennen. Das gehört zu den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtaufgaben von Unternehmen. Vorsorgeuntersuchungen und Screenings können helfen, stressbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und darauf aufbauend Unterstützungsangebote anzubieten. Damit ihre Maßnahmen zur Stressprävention und zur Förderung der psychischen Gesundheit wirken, sollten die Führungskräfte auf allen Ebenen ihres Unternehmens aktiv mitwirken. Nicht vergessen: Gesundheit ist Führungsaufgabe.

Stressbewältigung- und Ressourcenstärkung

Besonders gefährdet ist, wer bei der Organisation des Alltags Probleme hat und nur schwer Grenzen für sich selbst ziehen kann. Unternehmen können Beschäftigten Hilfestellungen bieten, beispielsweise indem sie Informationen, Schulungen oder Trainings anbieten. Auf diese Weise können Beschäftigte lernen, eigenverantwortlich mit ihren Ressourcen und damit letztlich auch mit ihrer Gesundheit umzugehen. Helfen können hier beispielsweise Seminare zum Thema Stress- oder Zeitmanagement, Resilienz-Training sowie Coaching- oder Supervisions-Programme. Kurse rund um Entspannungstechniken (Yoga, Meditation, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training usw.), Bewegung und Zeitmanagement können ebenso unterstützend eingesetzt werden.

 

Und auch die Führungskräfte sind gefragt: Ein kritischer Blick auf das Verhältnis zwischen Arbeits- und Zeitdruck sowie neuen Arbeitsaufträgen, die Wahrung von Selbstbestimmung und Beteiligung der Beschäftigten und ein generell transparenter Führungsstil sind dabei nur einige mögliche Ansatzpunkte.

Arbeitsplatznahe Unterstützungsangebote & BEM

Durch niederschwellige Angebote der betrieblichen Sozialberatung oder externe Mitarbeiterberatungsprogramme in Kombination mit Führungskräfteschulungen können Beschäftigte wirkungsvoll und arbeitsplatznah unterstützt werden. Sind Beschäftigte aufgrund einer psychischen Erkrankung längere Zeit arbeitsunfähig, steht heute eine möglichst schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz im Vordergrund – unterstützt von Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement.  Gemeinsam mit einer geeigneten innerbetrieblichen Kommunikation kann der Tabuisierung und Stigmatisierung von Betroffenen auf diese Weise entgegengewirkt werden.

INQA-Broschüren: Kein Stress mit dem Stress

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) bietet umfangreiche Broschüren rund um das Thema Stress am Arbeitsplatz an. Neben Material für die Selbsteinschätzung und Qualitätskriterien in puncto Stress finden Sie hier allgemeine Handlungshilfen für Beschäftigte, Be­triebs- und Per­so­nal­rä­te, ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen und Be­trie­be im Gast­ge­wer­be. Daneben gibt es branchenspezifische Infos für Führungskräfte – darunter für den Bereich Handel & Warenlogistik, Hand­werk und den öf­fent­li­chen Sek­tor.
Wichtig: Partizipation & Unterstützung

Wie im gesamten BGM-Prozess gilt es auch bei der Stressprävention, Beschäftigte direkt einzubinden: Durch die Bildung von Beschäftigtengruppen, die Stressursachen ergründen und Möglichkeiten zur Stressbewältigung erarbeiten, können Partizipation und Kontrollvermögen ermöglicht werden. Die gesetzlichen Krankenkassen unterstützen Betriebe gezielt im Bereich des Stressmanagements, insbesondere auch in der Qualifizierung von Führungskräften sowie in der Organisation eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Fazit

Ein professionelles Stressmanagement ist ein notwendiger Bestandteil der betrieblichen Personalpolitik und unverzichtbar, um für eine hohe Qualität und Effizienz der Prozesse und Abläufe zu sorgen. Auf der Kostenseite können damit die Arbeitskosten reduziert und die Produktivität gesteigert werden – der proaktive Umgang mit Stress lässt sich so direkt ablesen. Frühzeitige Interventionen im Umgang mit Stress helfen und sollten schon bei den Auszubildenden und jüngeren Beschäftigten ansetzen. Schließlich sind Unternehmen, die die psychische Gesundheit professionell managen, gleichzeitig attraktiv für junge Fachkräfte.

1
EU-OSHA: Psychosoziale Risiken und psychische Gesundheit bei der Arbeit
2
Arbeit: Sicher & Gesund (BMAS): Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt
3
Destatis: Gefährdung durch Stress am Arbeitsplatz
4
Statista (2021): Stress am Arbeitsplatz – Häufige Stressoren
5
BKK Dachverband e.V.: Gesundheitsreport 2023